Rammstein

Wir waren namenlos, ohne Lieder, etwas wortlos, waren wir nie wieder, etwas sanglos, sind wir immer noch, dafür nicht klanglos, man hört uns doch.

Sie waren nicht zu überhören. Rammstein. Ein optisches und akustisches Klanggewitter, das über Frankfurt hereinbrach. Klänge, die das Adrenalin pumpen lassen. Eine Lightshow, die mit optischen Symbolen überwältigt. Die Bühne, eine Mischung aus Kernkraftwerkszentrale im Innern eines lange versunkenen U-Boots. Und eine Pyroshow, die auch dem Letzten in der völlig ausverkauften Festhalle einheizte.

Nach einem Windstoß, ging ein Sturm los, einfach beispiellos, Es wurde Zeit, Los!

1993 gegründet ist Rammstein heute einer der erfolgreichsten deutschen Musikexporte. Ob Russland oder Amerika, die Gruppe gehört zu den bekanntesten Bands aus Deutschland, deren kompromissloser Stil und düster-schwermütigen deutschen Texte im Ausland sehr gut ankommen. Auch ich kann mich der Faszination von Frontsänger Till Lindemann absolut nicht entziehen.

Sie waren sprachlos, zu sehr schockiert, Sehr ratlos,"Was war passiert?" Etwas fassungslos, und garantiert, verständnislos, "Das wird zensiert!"
"Wenn mein Vater wüsste, dass ich heute abend bei Rammstein auf dem Konzert gewesen bin, würde er mich enterben," flüstert ein junger Mann mit Mannheimer Dialekt verschwörerisch seinen Freunden zu, die mit ihm auf die 16 warten. Die anderen nicken verständnisvoll. Mir erging es nicht besser, eine Menge Freunde und Bekannte hat mich irritiert bis erstaunt angesehen, als ich sagte, ich hätte auch eine Karte für das ausverkaufte Konzert. "Ist das politisch korrekt?" fragte mich einer. Die politische Ausrichtung von Rammstein hat schon immer polarisiert. Seit ihren Gründungstagen haftet der Band ein braunes Image an. Der tiefe expressive Gesang mit charakteristischem rollendem „r“ und die Brachialität ihrer Texte haben Rammstein ein Nazi-Image verpasst. Doch Glatzen mit Springerstiefeln sind heute abend in der Festhalle eher eine verschwindende Minderheit.

Sie sagten grundlos: "Schade um die Noten, So schamlos! Das gehört verboten! Es ist geistlos, was sie da probieren, so geschmacklos, wie sie musizieren, Es ist hoffnungslos! "hirnlos,hilflos, Sie sind gott...los!

Rammstein selbst hat immer wieder erklärt, dass sie sich als unpolitische Band sehen. Auf ihre Lightshow, die Laserstrahlen zu gigantischen Lichtkathedralen in der Festhalle auftürmt, wäre jedoch auch eine Leni Riefenstahl stolz gewesen. Vielleicht macht man es sich mit der Fascho-Klatsche aber auch zu einfach? So wie die FAZ, die im Sommer über die Fans von Rammstein, Schiller und Wolfsheim schrieb, dass das die Generation der "Böhsen Enkelz" sei, die nichts verstanden hätte. Es ist immer leichter, andere als "Nazis" in die braune Ecke zu stellen. Wenn man keine Lust hat, sich mit der Musik von Rammstein auseinanderzusetzen. Ehrlicher wäre vielleicht zu sagen, dass man die martialische Richtung der Band einfach nicht mag. Das zu schreiben wäre jedoch langweilig. Würde nicht genug Aufmerksamkeit in den Feuilletons erregen und weiter polarisieren. Und wer ehrlich ist, weiß dass Rammstein mit dem Feuer spielt, wenn sie Songs wie "Links 234" mit einem militärisch stampfenden Stil und einem Video mit tausenden von gleichgerichtet marschierenden Ameisen konterkarrieren.

Wir waren namenlos, wir haben einen Namen, waren wortlos, die Worte kamen, Etwas sanglos, sind wir immer noch, dafür nicht klanglos, das hört man doch! Wir sind nicht fehlerlos, nur etwas haltlos, ihr werdet lautlos, und ... los

Rammstein spielt mit Ängsten. Vor Tod und Verstümmelung zum Beispiel. Als "Mein Teil" angestimmt wird, jagt Till Lindemann zu Sätzen wie "Die stumpfe Klinge gut und recht, ich blute stark und mir ist schlecht, muss ich auch mit der Ohnmacht kämpfen, ich esse weiter unter Krämpfen" mit blutiger Schürze, Kochmütze und Schlachtermesser um einen riesigen Kochtopf über die Bühne. In Anspielung auf Armin Meiwes, den die Boulevardpresse als "Kannibalen von Rothenburg" bezeichnete, tobt der Saal zum Refrain "Denn, du bist, was du isst."

Wir waren namenlos, und ohne Lieder, recht wortlos, waren wir nie wieder, Etwas sanglos, sind wir immer noch, dafür nicht klanglos, man hört uns doch. Nach einem Windstoß, ging ein Sturm los, einfach beispiellos. Wurde zeitlos. Wir waren los, Wir waren los... (Textpassagen von "Los", vom Album "Reise,Reise")

Nach mehreren Zugaben verlasse ich zur Musik von "Engel" tief beeindruckt die Festhalle. Vor mir tragen zwei junge Mädels im Gedränge die neuesten T-Shirts der Rammstein-Tour 2004. Und ich lese "Weiter, weiter ins Verderben. Wir müssen leben, bis wir sterben." Noch lange hallen die Klangwelten von Songs wie "Du hast" in meinen Ohren nach.