Sex in der SPD ist auch in Zukunft erlaubt

Kleine Presseschau zu "Sex sells". 

Hab auf dem Frankfurter UB-Parteitag meinen Beitrag aus dem "Hotel Falckenstein" vorgetragen. Und viele haben Tränen gelacht. Auch die, die den Sachsenhäuser I-Antrag sch... fanden, hatte ich mit "Sex sells" versöhnt. Die Forderung, ein Konzept für die OB-Wahl vorzulegen, haben einige als Angriff auf unseren OB-Kandidaten verstanden. Meine "Betrachtungen" zum Kommunalwahlkampf hat vielleicht klarer gemacht, warum wir vielleicht doch mal ein Konzept bräuchten. Na ja, der E9 der Jusos wurde dennoch mit viel Freude versenkt. Sex in der Frankfurter SPD ist auch in Zukunft erlaubt. 

Frankfurter Allgemeine Zeitung: Erotik? Ja, bitte! 15. Mai 2006 von Hans Riebsamen 

Sex sells - Sex verkauft sich. Doch soll sich die SPD mit Sex verkaufen? Nein, sagen die Jusos: „Wir fordern die SPD Frankfurt deshalb auf, in Zukunft in ihren Werbemaßnahmen auf sexuelle Motive zu verzichten.“ Ausgerechnet die Jungsozialisten haben auf dem SPD-Parteitag am Wochenende Enthaltsamkeit gepredigt, also junge Frauen und Männer, die - so spottete die schon etwas gereifte, aber immer noch flotte Genossin Petra Tursky-Hartmann - ihr ganzes erotisches Leben noch vor sich haben.
Werbung verwende häufig Bilder von Sex, um Produkte zu verkaufen, wissen die Jusos. Sexualität werde so mehr und mehr zu einer Ware. Der Parteinachwuchs mag es aber lieber nichtkommerziell, kuschelig und züchtig. Allerhöchstens ein wenig Petting im Kino. Doch ach, die Hand des Jusos zuckte vor erotischen Gefährdungen zurück, als während des Wahlkampfs jener berüchtigte SPD-Kampfstier erschien, um die noch berüchtigtere Kuh mit den roten Strapsen im Auftrag der Partei zu besteigen. Die Juso-Hand griff offenbar noch im Lichtspieltheater lustvoll zum Kugelschreiber und formulierte für den Parteitag den Antrag: Kein Sex mehr in der SPD. 

Schwierigkeiten mit dem Sex

Am Samstag hatten die Parteitags-Genossen zu entscheiden, ob die SPD auch fürderhin Sexseller sein will, also zum Beispiel die Reichensteuer erotisch verbrämt als eine Art politisches Potenzmittel für den tattrigen Sozialstaat verkaufen solle. Präsidiumsmitglied Susanne Lapp hat die Strategie „Sex sells“ verteidigt - aber sich so schlecht verkauft, daß sie beim nächsten Parteitag nicht mehr im Präsidium sitzen wird. Die SPD hat offensichtlich ihre Schwierigkeiten mit dem Sex - sonst hätte sie nicht ihren besten Sex-Appeal-Politiker Michael Paris entmannt. Seine Rolle als Augenweide für die weibliche Wählerschaft muß jetzt der Oberbürgermeisterkandidat Franz Frey übernehmen. Und „der Franz“, wie alle in der Partei sagen, hat sich auch redlich bemüht, hat das steife Dezernenten-Jackett zu Hause im Schrank gelassen, hat mit sicherem erotischen Gespür ein rosa Hemd angezogen - bisher das Markenzeichen von Paris. Jetzt wartet Frankfurt darauf, daß er im Oberbürgermeister-Wahlkampf auch noch dieses Hemd auszieht.

„Die SPD zeigt zu wenig Erotik“ 

Denn wie sagte die erfahrene Tursky-Hartmann: „Die SPD zeigte im Wahlkampf nicht zuviel, sondern zuwenig Erotik.“ Also künftig nicht mehr SPD-Damen mit Rüschenblusen auf den Wahlplakaten, sondern freizügige Mädels mit „Arschgeweih“. Was das ist? Tursky-Hartmann hat es nicht erklärt, sie setzte offenbar voraus, daß der gemeine Genosse weiß, daß eine Tätowierung über dem Allerwertesten in Fachkreisen so genannt wird. Was wohl die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen zu solchem Chauvinisten-Treiben sagt? Schon stürmte sie in Person der AsF-Vorsitzenden Ulli Nissen ans Rednerpult. Doch hört, hört! Die SPD-Frauen haben nichts gegen Sex. Nissens Großmutter zum Beispiel hat sich noch mit 80 Jahren ein Doppelbett ins Schlafzimmer stellen lassen. Auf keinen Fall ist also die sozialdemokratische Frau für das demographische Desaster verantwortlich. Vielleicht die männlichen Schlaffos? Frankfurt muß aber nicht die Hoffnung verlieren. Es geht an allen Stellen aufwärts bei der SPD. Denn der Parteitag lehnte den Juso-Antrag ab. Sex in der SPD - ist weiter erlaubt.

Frankfurter Rundschau: Sex sells Frankfurter SPD diskutiert über Erotik im Wahlkampf Sozialdemokraten diskutieren auf ihrem Parteitag engagiert über die verkaufsfördernde Wirkung von Sex und Erotik VON MARTIN MÜLLER-BIALON 

Sozialdemokraten, die über Sex reden, kommen anscheinend langsam in Mode. Die Orgasmuslüge der schwäbischen SPD-Frontfrau Ute Vogt im Landtags-Wahlkampf war dabei nur der Anfang. Beim Parteitag der Frankfurter SPD konnte man zum Beispiel erfahren, dass sich die Mutter der Frauenpolitikerin Ulli Nissen "mit 80 Jahren noch ein Doppelbett gekauft hat, weil die Liebe dann erst richtig Spaß macht". Oder dass es Parteimitglieder wie Petra Tursky-Hartmann gibt, die auf den jüngsten Wahlplakaten statt "ordentlich bebrillter Frauen" lieber "High Heels und Arschgeweihe" gesehen hätten. Die SPD, mag sie auch bei den harten Themen arg verunsichert wirken, macht in erotischen Dingen neuerdings einen recht aufgeklärten Eindruck. 

Versuche, zur Prüderie zurückzukehren und "in Zukunft auf sexuelle Motive zu verzichten" - ein ausgerechnet von den Jusos eingebrachter Antrag -, wurden im Keim erstickt. Mit knapper Mehrheit und nach 45-minütiger Diskussion entschied der Parteitag, dass Werbespots wie der mit der roten Straps-Kuh auch in Zukunft möglich sein sollen. Wie wichtig der SPD das Thema Erotik ist, zeigte die Rednerliste zu dem Tagesordnungspunkt "Sex Sells" - es gab acht Wortmeldungen. Abgesehen von der Aussprache über den Bericht des Parteivorsitzenden Franz Frey hatten die Genossen bei keinem anderem Thema mehr Redebedarf. 

Da blieb auch Römerfraktionschef Klaus Oesterling nicht verschont, der sich im Wahlkampf mit Rippchen und Ebbelweiglas (Aufschrift: Lahmer Esel, eine Gaststätte in Niederursel) ablichten ließ. Irgendwann ging es sogar mal um die Krawatte des Oberbürgermeister-Kandidaten Frey, obwohl der an diesem Tag ausnahmsweise überhaupt keine umgebunden hatte. Allerdings fand auch hier der Antrag, "das Auftreten des Kandidaten überzeugender zu gestalten", keine Mehrheit. Frey bleibt also nicht nur OB-Kandidat, er darf sich auch weiter mit seinen Enkeln ablichten lassen und muss nicht "mit 20 Blondinen spielen" - eine weitere Anregung der Delegierten Tursky-Hartmann.

Michael Paris hätte das gar nicht nötig, er ist ja selbst ein Schönling, der sich in der Boulevardpresse "metrosexuell" nennt und offenbart, dass er seine Achselhaare rasiert. Dennoch erlebte nicht nur der Rebell eine krachende Niederlage auf diesem Parteitag, sondern auch seine Fürsprecher. Unter anderem Susanne Lapp, die ihre "großer Sympathie für Michael" bekundete und feststellte: "Kandidaten müssen gut aussehen. Sex sells." Anschließend fiel sie bei den Wahlen für das Parteitagspräsidium kläglich durch.

Wird die SPD also künftig auf "Marketinggags" wie die Straps-Kuh setzen, wie die Jusos fürchten, oder den "Anspruch auf Gesellschaftsveränderung" beibehalten? Das blieb am Ende dann doch offen. Sollte sich die Partei aber allen Themen so intensiv widmen wie der Erotik, wird es mit ihr bald wieder steil bergauf gehen.

Frankfurter Neue Presse (15.05.2006) Brave Jusos, sexy Sozis Frankfurt. 

Die rote Straps-Kuh, mit der die SPD im Kommunalwahlkampf für Aufsehen gesorgt hat, beschäftigte auch den Parteitag. So forderten die Jusos, künftig nicht mit sexuellen Motiven zu werben. 

Diesen Antrag des Parteinachwuchses verstand Petra Tursky-Hartmann, Vorsitzende des Ortsvereins Sachsenhausen-Ost, nicht so recht: «Die Jusos haben doch ihr ganzes erotisches Leben noch vor sich.» Zudem sei der Wahlkampf der SPD eher zu wenig sexy gewesen, meinte sie mit Hinweis auf die Plakate, die Parteichef Franz Frey mit seinen Enkeln und Fraktionschef Klaus Oesterling mit einem Bembel – Aufschrift: «Lahmer Esel» – zeigten. Ulli Nissen, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF), plädierte für eine strikte Trennung zwischen Erotik und Politik. «Sex sells» tauge nicht als Werbung für die SPD, meinte sie. Andererseits berichtete sie, ihre Großmutter habe noch mit 80 Jahren ein Doppelbett gekauft – und so ein Leben im Alter wünsche sie sich auch selbst. Die Stadtverordnete Ursula Busch fragte schließlich, ob man sich Franz Frey im Adamskostüm auf einem Eisbärfell vorstellen könne, versehen mit dem Slogan «Für Frankfurt geb’ ich alles.» Am Ende wurde der Juso-Antrag deutlich abgelehnt. (jge)